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Gastvortrag: "Über Gefühle sprechen lernen – leichter gesagt, als getan"

Am Donnerstag, den 19. Januar 2017 findet in Rahmen des 3. Science Days an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig ein Gastvortrag statt.

Herr Prof. Dr. Manfred Holodynski (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) referiert zum Thema:

“Über Gefühle sprechen lernen – leichter gesagt, als getan”

Wann? 19. Januar 2017 | 15:15 – 16:45
Wo? Jahnallee 59 (Haus 1) | Hörsaal Süd



Abstract: Über Gefühle sprechen zu lernen, stellt entgegen landläufiger Auffassung eine besondere Herausforderung für das Kind dar. Die Bedeutung und der Gebrauch eines Gefühlswortes (A ist fröhlich) kann nämlich nicht einfach wie ein Eigenschaftswort (A ist dick) erlernt werden. Denn das Gefühl beinhaltet das subjektive Erleben einer Emotion, das nur dem Akteur, nicht aber dem Beobachter zugänglich ist, womit die notwendige gemeinsame Referenz für die Einführung von Sprachbezeichnungen fehlt.

Im Vortrag wird unter Rückgriff auf das Modell der somatischen Marker von Damasio und auf das Biofeedbackmodell von Gergely und Watson ein ontogenetisches Internalisierungsmodell in drei Entwicklungsschritten vorgestellt, wie sich das Verhältnis von Ausdruck und Gefühl und deren sprachlicher Repräsentation entwickelt. Danach hat ein Kind keinen sprachlich privilegierten Zugang zu seinen Gefühlen, sondern es erhält ihn in den sozialen Interaktionen mit seinen Bezugspersonen, die durch ihr Affektspiegeln des kindlichen Emotionsausdrucks am kindlichen Gefühl empathisch teilhaben können. In einem ersten Entwicklungsschritt in den ersten beiden Lebensjahren erfährt und etabliert ein Kind anhand dieses elterlichen Affektspiegelns eine Referenz zwischen seinem inneren Gefühl und dem sichtbaren Ausdruck. Erst auf der Basis einer solchen sozial etablierten Referenz zwischen Ausdruck und Gefühl können in einem zweiten Entwicklungsschritt im Klein- und Vorschulalter Emotionswörter erworben und auch das Gefühl sprachlich benannt und bewusst werden. In einem dritten Entwicklungsschritt etwa ab dem sechsten Lebensjahr können Kinder den Emotionsausdruck nicht nur sprachlich vom Gefühl differenzieren, sondern auch ihren Emotionsausdruck willentlich maskieren. Dies hat zur Folge, dass sich Ausdruck und sprachlich repräsentiertes Gefühl wiederum trennen können, ein Kind also seine Gefühle nicht mehr im Ausdruck ungefiltert zeigt, nun aber einen sprachlich vermittelten Zugang zu seinen Gefühlen hat und damit sein Verhalten reguliert.